Gleichtaktverzerrung bei der Sondierung von Leistungselektronik mit großer Bandlücke

Im Idealfall überträgt ein Tastkopf ein Signal in der ursprünglichen Form und unverfälscht vom Prüfling zum Messgerät. Differenzialtastköpfe können Gleichtaktverzerrungen unterdrücken, indem sie identische Signalartefakte, die an beiden Anschlüssen im Verhältnis zu Erde auftreten, auslöschen. In der Praxis können Probleme wie unzureichende Gleichtaktunterdrückung, Frequenzgang-Verschlechterung und Signalverzerrungen die Signalintegrität beeinträchtigen, insbesondere bei Hochgeschwindigkeitsanwendungen, wo die Signaltreue von entscheidender Bedeutung ist.

Ihre Anforderung

Bei Messungen an schnell schaltenden Leistungshalbleitern wie Bauelementen mit großer Bandlücke (Wide-Bandgap, WBG) treten nicht selten hohe Spannungen (HV) und schnelle Schwankungen auf. Die Anstiegs-/Abfallzeit bei Bauelementen etwa aus Galliumnitrid (GaN) liegt im Bereich unter 2 ns. Benötigt werden deswegen Tastkopflösungen mit höheren Bandbreiten von bis zu 1 GHz. Zur Optimierung der Signalintegrität bei solchen Leistungsanwendungen müssen die Performance und der Frequenzgang der Sondierungstechnik geeignet sein, um Verzerrungen und Signalverschlechterungen auf ein Minimum zu begrenzen.

HV-Differenzialtastköpfe werden häufig verwendet, um Signale ohne Massebezug in einer High-Side-Gate-Source-Spannung für einen Halbbrückenkonverter zu messen. Das Gleichtaktunterdrückungsverhältnis (CMRR) dieser Tastköpfe insbesondere bei hohen Frequenzen ist hilfreich, um schnelles Gleichtaktrauschen aus der Umgebung zu unterdrücken.

FET-Aufbau
FET-Aufbau
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Einschränkungen herkömmlicher HV-Differenzialtastköpfe

Häufig wird angenommen, dass gewöhnliche Differenzialtastköpfe über ihre gesamte Bandbreite vollständig von Erde isoliert sind. In der Realität ist der Differenzverstärker in diesen Tastköpfen erdbezogen, sodass bei Verwendung mit einem Messgerät ein Rückweg für Gleichtaktsignale entsteht. Das Gleichtaktunterdrückungsverhältnis (CMRR, Common-Mode Rejection Ratio) der Tastköpfe ist deswegen technisch bedingt begrenzt. Obwohl Kabel mit 4-mm-Bananensteckern über die für Leistungsmessungen erforderliche HV-Klassifizierung verfügen, fehlen ihnen eine kontrollierte Impedanz und eine geeignete Abschirmung, insbesondere bei höheren Frequenzen. Daher bieten herkömmliche HV-Differenzialtastköpfe typischerweise Bandbreiten von bis zu 400 MHz bei mäßiger Gleichtakt-Rauschunterdrückung von etwa –20 dB. Pro 10 V eines Gleichtaktsignals gehen demnach Störungen von 1 V in die Messungen ein.

Isoliertes Leistungsumwandlungsdesign
Isoliertes Leistungsumwandlungsdesign
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Unterbrechen der Gleichtakt-Erdschleife

Für effektive Messungen an WBG-Leistungsbauelementen, die mit höheren Spannungen und schnelleren Schaltgeschwindigkeiten arbeiten, ist eine vollständige galvanische Trennung zwischen dem Prüfling und dem Messgerät unerlässlich, um den Gleichtaktsignal-Rückweg zu begrenzen und das Rauschen zu reduzieren. Ein gängiger Ansatz zur Isolierung ist die induktive oder optische Kopplung, die in Oszilloskopen mit isolierten Kanälen zum Einsatz kommt.

Allerdings können lange und ungeschirmte Kabel dennoch Störungen entlang dem Signalweg verursachen. Der Abstand des Tastkopfs vom Messpunkt des Prüflings muss so kurz wie möglich gehalten werden. Die Verwendung koaxialer statt herkömmlicher Tastkopfspitzen ermöglicht eine bessere Impedanzanpassung und höhere Messgenauigkeit.

R&S®RT-ZISO Isoliertes Tastkopfsystem
R&S®RT-ZISO Isoliertes Tastkopfsystem
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Lösung von Rohde & Schwarz

R&S®RT-ZISO Isoliertes Tastkopfsystem:

  • Bandbreite: 100 MHz bis ca. 1 GHz
  • Eingangsbereich: ±3540 V (eff.)
  • Gleichtaktbereich: ±60 kV
  • Gleichtaktunterdrückungsverhältnis bei 1 GHz: 90 dB
  • Höchste Empfindlichkeit: ±10 mV Bereich

Das isolierte R&S®RT-ZISO Tastkopfsystem wurde für dieses Messszenario konzipiert. Der Tastkopf wird über eine kurze koaxiale Tastspitze (MMCX) mit dem Prüfling verbunden. Diese Verbindung schirmt die gemessenen Signale vor Gleichtaktrauschen ab, sorgt für eine stabile und angepasste Impedanz und ermöglicht den Betrieb des Tastkopfs auch bei hohen Frequenzen von bis zu 1 GHz. Der Tastkopf wandelt die gemessenen Signale in optische Signale um und überträgt sie an die Empfängerbox. Dadurch wird die Gleichtakt-Erdschleife unterbrochen, und Störungen beim Messen werden reduziert.

CMRR-Performance der Tastspitze und Eingangsspannungs-Derating in Abhängigkeit von der Frequenz
CMRR-Performance der Tastspitze und Eingangsspannungs-Derating in Abhängigkeit von der Frequenz
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Bei der Charakterisierung des High-Side-WBG-Gate-Source-Eingangs legt der Schaltknoten (C3) eine schnell schaltende Gleichtaktspannung an den Messpunkt an. Die High-Side-Gate-Spannung (C4, Screenshot unten, linke Seite) wird bei Verwendung herkömmlicher HV-Differenzialtastköpfe stark durch das Gleichtaktrauschen beeinflusst.

Das R&S®RT-ZISO erfasst die gleiche Gate-Spannung (C2, Screenshot unten, rechte Seite) mit etwas schnelleren Flanken und weniger Rauschen. Das bei HV-Differenzialtastköpfen (C4) beobachtete Rauschen zeigt starke Ausschläge und benötigt deutlich länger, um abzuklingen. Wellenformdetails der Gate-Spannung, bei denen das Miller-Plateau und die Ladezeit von Interesse sein könnten, können durch Gleichtaktrauschen stark gestört und verdeckt werden.

Fazit

Das R&S®RT-ZISO isolierte Tastkopfsystem minimiert den Einfluss von hochfrequentem Gleichtaktrauschen bei WBG-Leistungsmessungen, sodass die CMRR-Performance im gesamten Betriebsfrequenzbereich den Erwartungen entspricht. Der Anschlusstyp der Tastspitze kann sich auf das gesamte Gleichtaktunterdrückungsverhältnis auswirken. Berücksichtigen Sie daher beim Entwurf eines Produkts die Testanforderungen, um optimale Messergebnisse zu erzielen.

Beim Vergleich herkömmlicher HV-Differenzialtastköpfe und den isolierten Tastkopfsystemen bei HS-Gate-Messungen wird deutlich, dass bei den herkömmlichen Lösungen viele Details im Gleichtaktrauschen untergehen.