KI: Ein neuronaler Empfänger für den Mobilfunk

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Forschung: KI im Mobilfunk

Ein neuronaler Empfänger verspricht eine noch stabilere Datenübertragung für den Mobilfunk. Gemeinsam entwickeln NVIDIA und Rohde & Schwarz einen Testaufbau.

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27.03.2025

Eine Funkübertragung ist immer Störungen ausgesetzt. Zur Kompensation nutzt heutiger Mobilfunk die Methoden Kanalschätzung und Entzerrung. Dazu übermittelt der Sender zusammen mit dem eigentlichen Datenstrom zusätzliche Pilotsignale, die der Empfängerseite bekannt sind. Stellt die Empfängerseite fest, dass die Pilote verzerrt ankommen, entzerrt ein digitaler Signalfilter sie wieder. Die richtigen Filterparameter errechnen leistungsstarke Signalverarbeitungsalgorithmen aus dem Verzerrungsgrad der Pilotsignale.

Diese Entstörungsmethoden tragen den unterschiedlichen Bedingungen Rechnung, unter denen eine Mobilfunkkommunikation stattfindet. Auf dem Fahrrad in der Natur sind die Störeinflüsse auf die Mobilfunkübertragung andere als in einer überfüllten Fußgängerzone oder in einem fahrenden Zug.

Ansatzpunkt für künstliche Intelligenz

Jede erfolgreiche Datenverbindung zu Mobilgeräten ist ein Beleg dafür, wie ausgereift die verwendete Signalverarbeitung bereits ist. Grenzen gibt es trotzdem: Weil die Signalverarbeitungsalgorithmen anhand von standardisierten Kanalprofilen entwickelt werden – also von angenommenen Modellen, die den tatsächlichen Betriebsfall immer nur näherungsweise abbilden können – sind die Optimierungsverfahren nie perfekt. Gelingt es, KI-Modelle mit Datensätzen anzulernen, die den tatsächlichen Betriebsfall besser widerspiegeln, sind effektivere Methoden zur Kanalentzerrung möglich und damit auch stabilere Mobilfunkverbindungen mit höherem Datendurchsatz.

Fester Platz im Mobilfunk

Bild 1 zeigt den konkreten Ansatz, den NVIDIA mit dem neuronalen Empfänger verfolgt: Im Empfänger (RX) wird der Signalverarbeitungsblock für Kanalschätzung, Kanalentzerrung und Demapping durch ein trainiertes maschinelles Modell ersetzt, das alle drei Aufgaben übernimmt. Der neuronale Empfänger wurde mit Hilfe von NVIDIAs Sionna Open-Source-Softwarebibliothek entwickelt, die speziell für die Forschung an 5G und 6G ausgelegt ist.

Bild 1: Klassischer Senderaufbau und KI-basierter Sender

Vergleich klassischer Senderaufbau und KI-basierter Sender.

In einem neuronalen Empfänger (unten) übernimmt ein trainiertes Machine-Learning-Modell die drei Aufgaben Kanalschätzung, Entzerrung und Demapping. In der oben gezeigten klassischen LMMSE-Empfängerarchitektur (Linear Minimum Mean Squared Error) erledigen deterministische Software-Algorithmen diese Aufgabe.

Die nötige Rechenleistung für das effektive Training eines neuronalen Empfängers ist aktuell noch sehr hoch. Deshalb werden spezielle Grafikprozessoren (Graphical Processing Unit, GPU) eingesetzt. Die ersten Forschungsergebnisse zeigen aber, dass das Gesamtergebnis den Aufwand rechtfertig. Forschende sind außerdem optimistisch, dass die KI-Modelle auch mit deutlich weniger Rechenaufwand angelernt werden können. Entsprechend gehen viele Fachleute heute davon aus, dass KI-Modelle im 6G-Mobilfunk einen festen Platz für die Signalverarbeitung bekommen werden.

Noch offen ist die Frage nach hochwertigen, realen Trainingsdaten in ausreichender Menge. Mit zunehmender Marktreife wird der Wunsch nach echten Felddaten zunehmen. Bisher stützt man sich auf synthetische Trainingsdaten aus Simulationen oder generiert sie nach Bedarf durch messtechnische Hilfsmittel. In der aktuellen Forschungsphase ist das auch völlig ausreichend.

Messtechnik zur Leistungsbewertung

Rohde & Schwarz stellt schon heute die geeigneten Signalquellen und Signalanalysewerkzeuge zum Aufbau einer Testumgebung für den neuronalen Empfänger zur Verfügung. Der R&S®SMW200A Vektorsignalgenerator emuliert die Signale von Teilnehmerendgeräten in MIMO-Signalkonfiguration und fügt nach Bedarf Rauschen und Fading hinzu, um realistische Funkkanalbedingungen nachzubilden. Als Empfänger fungiert im aktuellen Testaufbau der R&S®MSR4 Universal-Satellitenempfänger mit vier parallelen Empfangskanälen. Er leitet die Signale über eine Echtzeit-Streaming-Schnittstelle an einen Server weiter. Dort synchronisiert die Software R&S®Vector Signal Explorer (VSE) die Signale und führt eine schnelle Fourier-Transformation (FFT) durch. Dieser FFT-transformierte Datensatz dient als Eingabe für den neuronalen Empfänger.

Zur Qualitätsbewertung vergleicht man die rekonstruierten Datenblöcke mit den Ursprungsdaten. Das Verhältnis von fehlerhaften Datenblöcken zur Gesamtzahl der übertragenen Datenblöcke ergibt die Block Error Rate (BLER).

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